Thursday, December 15, 2005

Ich bin Winnetou (der hatte aber keinen Esel!) (Teil 5)

Im Morgengrauen machen wir uns auf Eseln auf den Weg ins Tal der Könige. Die meisten Leute fahren mit dem Bus dorthin und wir ernten die verwunderten Blicke der anderen Touristen, aber einmal mehr bin ich froh, dass wir nicht den luxuriösen, sondern den abenteuerlichen Weg wählen. Die meisten von uns sind Stadtmenschen und haben noch nie im Leben auf einem Esel geritten und ich lache die ganze Zeit, weil diese Tiere einfach ihren eigenen Kopf haben. Wenn sie wollen, können sie richtig schnell rennen und die Gesichter der Anderen wie sie auf und ab wippen sind einfach köstlich zu beobachten. Meinen Esel nenne ich Fred Astaire, das ist der erste Name der mir in den Sinn kommt und Fred Astaire ist ein „Grüsel“ weil er an allem riecht, was seine Kollegen fallen lassen. Mit den kahlen, sandfarbenen Hügeln um uns herum fühle ich mich ein bisschen wie Winnetou und ich ertappe mich dabei, wie ich nach bösen Cowboys Ausschau halte. Fred Astaire reisst mich jedoch schnell wieder aus meinen Phantasien als er auf ein Auto zurennt. Er kommt vorbei, ich reisse mein Knie in die Höhe und kann gerade noch verhindern, dass ich den Rückspiegel als Souvenir mitnehme. Fünf Minuten später das gleiche Spiel, diesmal mit einer Barriere, mein Esel kommt vorbei, mein Knie jedoch nicht und ich bin froh, dass ich nicht wirklich Winnetou auf einem Pferd bin, denn sonst wäre mein Knie jetzt zertrümmert.
Im Tal der Könige sind zu jeder Zeit immer nur drei Gräber offen, da Touristen alleine durchs Atmen die Grabmalereien zerstören. Es ist nicht so eng wie in den Pyramiden, aber genauso heiss. Ich betrachte die Bilder und einige am Anfang des Tunnels zeigen, was mit allfälligen Grabräubern geschehen wird, sollten sie es wagen, die Totenruhe des Königs zu stören. Da nur die Priester, Könige und Schreiber damals Hieroglyphen lesen konnten, wurden Botschaften ans ganze Volk in Bildern verpackt. Es ist das erste Mal, dass man wirklich grossflächig die Originalfarben bewundern kann. Über Qualität könnten sogar wir Schweizer etwas von den alten Ägyptern lernen denke ich. Nicht das erste Mal auf dieser Reise überkommt mich die Neugier zu erfahren, weshalb wir so wenig des Wissens der alten Ägypter kennen. Unser Guide erklärt, dass die Priester und die Könige immer zusammen regiert hätten. Sie mochten einander nicht, weil sie die alleinige Macht wollten, waren jedoch auf einander angewiesen. Der König konnte die Priester und das ganze Volk vor feindlichen Angriffen schützen und die Priester wussten alles über die Mumifizierung, was dem König ein Leben nach dem Tod „garantieren“ würde. Ein König (dessen Name ich mir aufgeschrieben hatte, dieser Zettel ist jetzt auf dem Grund des Nils) scherte sich jedoch nicht darum mumifiziert zu werden und liess einige Priester ermorden und die Bibliotheken verbrennen. Danach wurde Wissen nur noch mündlich weiter gegeben und als dann später ein anderer König seine Probleme mit den Priestern hatte, liess er sie alle töten und mit ihnen ging auch das Wissen dieser Zivilisation verloren. Es ist einfach traurig, wie Menschen schon immer aus eigennützigen Motiven Grossartiges zu Fall gebracht haben.
Von den drei Gräbern die wir besuchen, ist dasjenige von Ramses dem Ersten am besten erhalten. Nach einer Trinkpause (unbedingt mindestens zwei Liter Wasser mitnehmen) besteigen wir den magischen Berg. Als Büromensch der nur sporadisch Sport treibt war das nicht gerade ein Zucker schlecken, besonders nicht bei dreissig Grad. Im Tempo einer Schildkröte wandere ich den Berg hinauf und dann versucht doch tatsächlich ein Händler mir eine Steinstatue zu verkaufen. Er geht runter bis auf fünf Pfund und kann nicht verstehen, dass ich die Statue trotz dieses Superpreises nicht möchte. Ich versuche ihm zu erklären, dass er mich bezahlen müsste, wenn er allen Ernstes erwartet, dass ich Steine diesen Berg raufschleppe. Ich bin doch schon froh, wenn ich mich auf den Gipfel bringe.
Auf der anderen Seite geht’s runter zum Tal der Arbeiter, Olwet Abdel Quarna genannt. Die Gräber der Arbeiter sind natürlich kleiner als die der Könige und falls jemand auch nur ein bisschen unter Platzangst leidet, sollte er nicht reingehen. Trotzdem, auch diese Gräber sind voll von farbigen Zeichnungen und ich finde es noch niedlich, dass die Könige auch an die Arbeiter gedacht haben.

Verrücktes Kairo
Nach einem zweitägigen Zwischenstopp in Hurghada, geht’s zurück nach Kairo. Hurghada ist hässlich, voller Baustellen und Touristen, obwohl es abgesehen vom Meer absolut nichts zu sehen gibt. Wer also kein angefressener Taucher ist, wird sich hier ziemlich schnell langweilen.
Zurück in Kairo beschliessen wir, durchs Zentrum zu spazieren und es ist verrückt. Es ist unmöglich völlig entspannt durch diese Strassen zu gehen, da von überall was kommen könnte.
Wenn man die Strassen überqueren möchte, gibt es meistens keine Fussgängersteifen und wenn doch, interessiert das die Fahrer nicht die Bohne. Wer jemanden zum ersten Mal beim Strassen überqueren in Kairo beobachtet, könnte ohne weiteres zum Schluss kommen, dass er gerade Zeuge eines Suizidversuches wird. Ich bin jedenfalls froh, dass meine Angehörigen nicht mitansehen, wie ich betend durch die Autos gehe, die wenn überhaupt eineinhalb Zentimeter vor mir bremsen. Es ist wie ein Duell wer die stärkeren Nerven hat, der Fahrer oder der Fussgänger.
Einmal springen wir auf die Seite, weil aus dem Nirgendwo ein Auto geschossen kommt und gleich darauf packe ich eine Kollegin, weil sie beim Ausweichen, fast mit einer aufgehängten, halben Kuh kollidiert. Überall schreien uns die Leute die Preise für ihre Waren zu, andere lächeln uns einfach an und sagen „welcome“, jedes vorbeifahrende Taxi hupt, für den Fall, dass wir vergessen, dass wir eins brauchen. Ich habe das Gefühl mindestens fünf Päckchen Zigaretten geraucht zu haben. Ein Kind springt plötzlich vor mir auf den Boden, keine Ahnung woher es kommt. Überall rennen halbverhungerte Katzen rum und ich frage mich, weshalb es fast keine streunenden Hunde gibt. Plötzlich sind wir auf einer Touristenstrasse und von überall her kommen Leute, die mich am Ärmel zerren und auf mich einreden. Wir biegen in eine kleine Seitenstrasse ab und da geschieht ein Wunder. Plötzlich lassen uns alle in Ruhe, wir sind die einzigen Touristen, inmitten dieses Riesengedränges, überall werden Kleider oder ganze Stoffe ausgestellt, aber niemand will uns etwas andrehen. Eine willkommene Abwechslung, trotzdem gehen wir bald wieder, weil es einfach zu eng ist, mit den tausenden von Leuten.
Am nächsten Tag gehen wir zum Ägyptischen Museum und suchen uns einen Ägyptologen. Für sechzig Pfund ist er bereit uns eine Stunde herumzuführen und es ist gut investiertes Geld, da das Museum ziemlich chaotisch ist und man alleine keine Ahnung hat, wovor man gerade steht.
Zuerst führt er uns zu der Gedenktafel von Jean François Champollion. Er entschlüsselte als Erster die Hieroglyphen. Er erkannte, dass die Namen der verschiedenen Könige immer wieder vorkamen und so konnte er einen Buchstaben nach dem anderen ins Griechische übersetzen. Natürlich ging es nicht ganz so einfach, aber er schaffte es.
Als nächstes zeigt er uns einen Mumifizierungstisch. Die Ägypter konnten jeden Körperteil mumifizieren, ausser die Augen. Zuerst legte man die Leiche auf den Tisch und nahm die Augen raus. Diese ersetzte man durch Elfenbein-und Kristallimitate. Dann saugte man das Gehirn via die Nasenlöcher raus, denn die Ägypter hielten es nicht für ein besonders bedeutendes Organ, sie glaubten dass alles Wichtige im Herz abliefe. Ja ich weiss es klingt eklig, aber irgendwie ist es trotzdem faszinierend, nicht? Als nächstes nahmen sie die Leber, Lungen, Magendarm und den Magen raus. Diese Teile werden aber nicht weggeworfen, sondern in Miniatursärgen ins Grab gelegt. Dann legte man den Körper für vierzig Tage in eine Salzflüssigkeit, damit er dehydriert. Wenn die vierzig Tage um waren, wurde der Körper mit Öl einbalsamiert, damit er wieder geschmeidig wurde und als letztes wurden Finger, Zehen, der Hals, der Kopf und der Rest des Körpers einzeln in Leintücher eingewickelt.
In dieser Stunde erzählt er uns noch andere Geschichten von Hatshepsut, der ersten Königin oder Echnaton, dem ersten Realisten der keine idealisierenden Statuen von sich bauen liess und vieles mehr. Je mehr man über diese Dinge erfährt, desto mehr kann man es schätzen.

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