Thursday, December 15, 2005

Was Blocher und Ramses nicht gemeinsam haben (Teil 3)

Jemand hat mir erzählt, dass er zwar in Assuan gewesen sei, jedoch die Unannehmlichkeit nicht auf sich nehmen wollte drei Stunden nach Abu Simbel zu fahren. Da ich in einer Gruppe reise, habe ich nicht das Recht dagegen zu protestieren, als wir um vier Uhr morgens im Konvoi in Richtung Abu Simbel losfahren. Wieder einmal bin ich dankbar um mein aufblasbares Kissen und als ich aufwache, kommen wir in Abu Simbel an. Alle rennen raus und ich bin froh, dass ich noch eine E£1 Note habe, etwas was man bei jeder längeren Fahrt dabei haben sollte, sonst kann man in den Raststätten nicht aufs WC.
Wir treffen unseren Führer und er erzählt uns, dass Ramses II seine Tempel hier erbauen liess, weil es sonst in Abu Simbel keine Bauwerke gab. Ich kann mir nicht helfen, aber ich stelle mir vor wie es wäre, wenn zum Beispiel Christoph Blocher oder Moritz Leuenberger den Befehl geben würden, zu ihren Ehren einen Tempel zu bauen.
Wir gehen etwa fünf Minuten und plötzlich aus dem Nichts werden vier gigantische Ramses Figuren sichtbar. Nebenan sieht man den Nassersee, ein künstlicher See der beim Bau des Assuan-Staudammes entstand. Früher waren der Ramses Tempel und der Hathor Tempel weiter unten. Da sie durch den Nassersee zerstört worden wären, haben mehrere Länder gemeinsam das Vorhaben finanziert, die Tempel auseinander zunehmen und weiter oben originalgetreu wieder zusammenzusetzen. Erstaunlich, denn als Besucher merkt man nichts davon, dass die Tempel nicht schon immer dort waren wo sie jetzt stehen. Für die die sich wundern warum, nur noch drei anstatt vier Statuen vollständig sind, die zweite wurde bei einem Erdbeben zerstört. Jetzt bin ich froh, dass wir hierher gekommen sind, denn es ist für mich persönlich fast noch beeindruckender als die Pyramiden. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich noch nie etwas von diesem Tempel gehört habe und die Überraschung genauso gross ist, wie die zahlreichen Statuen.
Im Tempel selber sieht man zahlreiche Darstellungen von Ramses als Helden, wie er seine Gegner bestraft, aber auch wie er den Göttern (er hat sich selbst auch als Gott dargestellt) Opfer bringt. Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich immer Grössenwahnsinn sei etwas Schlechtes, aber der Narzissmus von Ramses II hat wunderbare Blüten getragen.

Die unendliche Leichtigkeit des Seins
Am nächsten Tag besteigen wir die zwei Feluccas, das sind traditionelle Segelboote, die für die nächsten drei Tage unser Zuhause sein werden. Einer meiner Reisekameraden hat eine Gitarre mitgenommen und die Gitarrenklänge begleiten uns drei Tage lang. Wir singen Lieder und zwei komponieren sogar extra zwei Feluccasongs, die sie während der ganzen Zeit proben. Es sind schöne Lieder die einen etwas melancholisch machen, aber gleichzeitig fühlt man sich den Menschen nah. Ein Plastiksack weht im Wind, der Nil klopft mit rhythmischen Wellen an unser Boot, die Crew bespricht etwas in Arabisch, was wegen den vielen ch-Lauten manchmal wie Schweizerdeutsch klingt. An den sandigen Ufern baden nubische Kinder, die alle Hallo rufen wenn sie uns vorbeisegeln sehen, Esel, Kamele und Pferde grasen. Die anderen bräunen sich, lesen, spielen Karten oder hören Musik. Seit Stunden habe ich nicht auf die Uhr geschaut und ich staune wie glücklich Nichtstun machen kann. Hier fühlt man die Leichtigkeit des Seins, um es in Milan Kunderas Worten auszusprechen und die anderen bestätigen es, hier hat man keine Schuldgefühle, wenn man nicht produktiv ist, denn man kann gar nichts machen als aufnehmen und sich fallen lassen. Als die Luxusschiffe vorbeifahren bin ich heilfroh, dass ich auf diesem kleinen Boot bin und nicht dort oben. Am Abend des zweiten Tages machen wir am Ufer ein Lagerfeuer. Das Bier fliesst in Strömen und alle tanzen zu den Trommelklängen unserer nubischen Crew ums Feuer.
Mitten in der Nacht wache ich frierend auf und ich kann jedem der dies auch mal tun möchte empfehlen, einen warmen Pullover mitzunehmen, denn nach Mitternacht kann der Wind ziemlich kühl werden. Später wache ich nochmals auf und zwar weil das Allaaaaaaaaaaah! des Muezzins selbst hier an den Ufern des Nils zu hören ist. Ich liege wach und überlege mir ob ein Muslim mit gutem Schlaf ein schlechter Muslim ist (falls er durchschläft und das Gebet verpasst).

No comments: